Den Benrather Schlosspark sehen mit Tobias Lauterbach - Zeitschichten der Vergangenheit und Zukunft

 Spricht man über die Geschichte von Schloss und Park Benrath, dem Sommersitz, den sich Carl Theodor und seine Gemahlin Elisabeth Auguste von Nicolas de Pigage entwerfen und bauen ließen, so denkt man zunächst an das architektonische Ensemble, bestehend aus dem Corps de Logis für das Herrscherpaar, den Kavaliersflügeln für die Beherbergung des in die Sommerfrische mitreisenden Hofstaats und den beiden Torhäusern für die Wachen. Das Areal gehörte seit alters her dem Bergischen gräflichen und später herzoglichen Haus. Auch in früheren Zeiten haben hier feste Häuser und Schlösser gestanden, zuletzt im 18. Jahrhundert ein Wasserschloss, in dem Jan Wellem gerne weilte. Es wurde für den Bau des „Neuen Benrather Schlosses“ abgerissen - nur der nördliche Seitenflügel seines Vorhofes hat sich als Orangerie (oder Prinzenbau) bis heute erhalten. 

 

Im August haben wir Herrn Tobias Lauterbach vom Gartenamt Düsseldorf gewinnen können, den Freunden von Schloss und Park Benrath auf einer Führung den Park und seine historische und aktuelle gestalterische und gärtnerische Pflege zu erläutern. Es meldeten sich so viele Interessenten, dass daraus gleich mehrere Führungen wurden.

 

Blick aus dem Englischen Garten zum Corps de Logis. (Foto H. Bruhns)

 

 Gemeinsam mit den Gebäuden des neuen Schlosses konzipierte Pigage auch die Parkanlage im strengen geometrischen Stil des Spätbarocks. Schloss und Park bilden ein Gesamtkunstwerk und sind in ihren Symmetrien auf einander bezogen; der achtachsigen Symmetrie des Kuppelsaals entsprechen die acht Allen, die vom Stern des Jagdparks ausgehen; den drei Fensterachsen des Kuppelsaals drei Sichtachsen nach Süden über den Spiegelweiher hinweg, nach Südosten zum alten Schloss hin und Südwesten zum Jagdpark und Rhein. So wurde der Natur eine künstliche Symmetrie aufgezwungen, auch sie wurde der auf den absoluten Herrscher hin orientierten Ordnung zu unterworfen.

 

Nach 1800 waren Schloss und Park Benrath nicht mehr in guter Verfassung. Da das Kurfürstenpaar Benrath wegen Kriegen und Carl Theodors Erbschaft Bayerns und Verlegung der Residenz von Mannheim nach München das Interesse an Benrath verlor, wurde die Pflege der Anlage auf das Nötigste reduziert; die zunächst streng geschnittenen Lindenalleen rechts und links der Südseite des Schlosses schossen in die Höhe, sodass sie Mitte des 20. Jh. ein Gewölbe wie eine Kathedrale mit zwei Seitenschiffen bildeten – der Park „schoss ins Kraut“. Aber nicht nur der Park, auch die Gebäude litten: Es ist überliefert, dass Napoléon 1811 bei seinem Besuch in Düsseldorf den Grafen Beugnot, 1808-1813 französischer kaiserlicher Kommissar in Düsseldorf, ermahnte, den Zustand des Benrather Schlosses zu verbessern.

 

Mit dem Wiener Kongress fiel das Rheinland an Preußen; das 19. Jh. sieht Mitglieder des preußischen Königshauses zur Sommerfrische in Benrath, wofür Schloss und Park wird wieder hergerichtet wurden.

Allerdings entsprach die strenge barock-absolutistische Gartenarchitektur fünfzig Jahre nach Pigage nicht mehr dem Zeitgeschmack. Aus England kam die Philosophie des Landschaftsparks, die, an der vorromantischen Landschaftsmalerei orientiert, die Vorstellung eines scheinbar nach der Natur geformten Gartens zum Ideal erhob, der idealerweise zwanglos in die freie Landschaft übergehen sollte. Dem Gartenarchitekten oder Landschaftsgärtner oblag es, dem in diesem Garten wandelnden Betrachter immer neue Perspektiven zu eröffnen und ihn so gleichsam durch eine Galerie von Landschaftsbildern zu führen. Das Besondere musste dabei nicht fehlen: sogenannte Follies (Verrücktheiten) in Form von: Pyramiden, Grotten, Eremitagen sollten das Auge überraschen.

 

Dieses neue Vorbild machten sich zwei junge Gartenarchitekten, Peter Joseph Lenné, geboren 1789, und der 14 Jahre ältere Friedrich Maximilian Weyhe, zu eigen. Sie waren Cousins und beide hatten einen Gartenarchitekten zum Väter, aber mehr noch: Lenné ging bei seinem Onkel Weyhe. in Brühl in die Lehre, Weyhe bei seinem Onkel Lenné dem Älteren in Bonn.

 

Der westliche „Privatgarten“ des Kurfürsten wurde – anders als der östliche der Kurfürstin – neu gestaltet: der Englische Garten mit seinem scheinbar natürlichen Weiher, den unvermuteten Baumgruppen entstand. Als Follies wurden eine Eremitage – heute das schauerliche Blockhaus – und der Ruinenbogen ins Bild gesetzt. Ein Lindenkreis entstand ebenfalls - er kann als typisches Merkmal Weyhescher Gestaltung gelten, denn solche finden sich in vielen von ihm konzipierten Parks, so auch im Hofgarten. Unregelmäßige Baumgruppen wurden auch rechts und links an den Zugängen zum Spiegelweiher gepflanzt um die strenge Geometrie abzumildern, gleichfalls wurden am südlichen Ende Solitäre gesetzt, die sich heute kaum von den dahinterstehenden Baumgruppen abheben.

Ein Weyhescher Lindenkreis im Englischen Garten (Foto: H. Bruhns)

 

Auch der Schlossweiher erhielt in dieser langen Periode, die sich am Ideal des „schief ist Englisch und Englisch ist modern“ orientierte, einen asymmetrischen „Schönheitsfleck“ in Form einer Insel, auf die – Sinnbild für Leben und Tod – eine Säulenpappel und eine Trauerweide gepflanzt wurden. Zu unterschiedlichen Zeiten ereilte der Tod mal die Pappel, mal die Weide, heute steht wieder von beiden ein junger Baum auf der Insel.  So ist heute die Auffassung, allerdings verzeichnet Edmund Renard 1913 in einem Plan der Schlossanlage vom Ende des 18. Jh. bereits eine kleine Insel nahe am östlichen Rand des Weihers - übrigens ebenso die Struktur des Parterregartens nördlich der Orangerie.

Plan des östlichen Teils der Schlossanlage Benrath gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit 
Kastanienalleen rechts und links des Spiegelweihers.  Übrigens ist auch schon eine 
kleine Insel im Schlossweiher verzeichnet.
(Aus Edmund Renard: Das neue Schloss zu Benrath, Inselverlag 1913 S. 23)

 So überlagerte mit dem englischen Einfluss eine neue Zeitschicht die barocke Anlage an vielen Stellen. Eine weitere Zeitschicht kam hinzu, als das Schloss kommunales Eigentum Benraths wurde: nördlich des Englischen Gartens wurde der Blumengarten – auch nach seinem Gartenarchitekten Hans Schiller „Schillergarten“ genannt - gestaltet. Auffällig ist die Absenkung des mittleren Teils, er ist als sogenannter „Senkgarten“ angelegt.

Der "Senkgarten" im Blumengarten, von Hans Schiller in den 1920er Jahren angelegt. (Foto: H. Bruhns)

 

Die Moderne hat ebenfalls ihre Gestaltungsspuren im Park hinterlassen. Kurios dabei, dass dabei die älteste Zeitschicht wiederentdeckt und hergestellt wurde. Nördlich der Orangerie lag ein Gartenteil des alten Schlosses. Seine Rekonstruktion gelang durch geophysikalische Untersuchung des Bodens: Alte Wege haben eine andere elektrische Leitfähigkeit als alte Beete; so konnte die Struktur des mehr als zweihundertfünfzig Jahre alten Gartens vermessen und als Parterregarten, wie er heute zu sehen ist, wiederhergestellt werden. Die Bepflanzung ist eine äußerst gelungene zeitgenössische Konzeption, die sich an alten Vorbildern orientiert.

Der Benrather Park, so historisch homogen er manchem Besucher vorkommen mag, ist in Wirklichkeit eine 250 jährige Dokumentation der Entwicklung gartenarchitektonischer Vorstellungen. Die Frage, was man bewahren will, was wiederherstellen, was verändern, ist komplex und die Vorstellungen dazu haben sich gewandelt und werden wohl weiter im Fluss bleiben. Heute wird nicht mehr die integre Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verfolgt, sondern das Bemühen ist, in einem konsistenten Konzept jeder historischen „Zeitschicht“ Raum zu geben, ohne dabei neue Ideen von vornherein auszuschließen. Noch bis ca. 1930 säumten zwei Alleen die Längsseiten des Spiegelweihers; die jetzigen breiten flach geneigten Rasenstreifen hinunter zum Wasser waren um die Alleebreite schmaler und eben, eine steilere Böschung führte zum Wasser. Sollte man diesen Zustand wiederherstellen? Dazu müsste rechts und links des Spiegelweihers der Rand des Hochwaldes zurückgedrängt werden, was ein erheblicher Eingriff wäre, der sich derzeit nicht empfiehlt.

Zu preußischen Zeiten säumten Kastanienalleen die Ufer des Spiegelweihers - sogar bis 1930. (Heimatarchiv Benrath, Fotograf unbekannt)

 

Zurück zu den beiden Lindenalleen rechts und links der Südseite des Schlosses: deren kathedralenartige Form zwar Wildwuchs, aber dennoch als Folge des ursprünglichen Beschneidens völlig unnatürlich war und zu massiven Baumschäden und herabstürzenden Ästen führte, erzwang vor einigen Jahrzehnten, die Alleen zu sperren. Eine komplette Neubepflanzung wurde von Gutachterseite empfohlen, was den von Pigage gewünschten Eindruck erst nach vielen Jahrzehnten hätte wiedererstehen lassen. Schließlich aber wurde eine Kappung und Stutzung der Bäume vorgenommen, die ein konsistentes, wenn vielleicht auch nicht exakt historisches Erscheinungsbild zu erhalten erlaubte.

Über 200 Jahre wuchsen die Linden zum hohen Gewölbe einer "Baum-Kathedrale", dann wurde ein radikaler Schnitt notwendig: Die Lindenallee 2020. (Foto: H. Bruhns)

Derzeit wird in Zusammenarbeit mit einem hamburgischen Gartenarchitekturbüro ein umfassender „Parkpflegewerk“ für den Benrather Schlosspark erarbeitet, wie er schon für viele andere Parkanlagen besteht. In ihm wird die ursprüngliche Gestaltung des Parks und die vielfältigen historischen Veränderungen festgehalten; darauf aufbauend soll er ein Konzept bieten, wie für die absehbare Zukunft die denkmalpflegerische Parkgestaltung und –pflege vorzugehen hat. Erwartet wird, dass er Ende des ersten Quartals 2021 für die Beratung in den Gremien der Stadt vorliegen wird.

 

Die Erstellung eines solchen Plans ist aufwendig. Ein Blick in den alten Hochwald des Jagdparks zeigt eine besondere Herausforderung durch den Klimawandel. Extremwetterlagen werden häufiger, ein Sturm, wie er sonst nur im Winter vorkam, war der Orkan Ela im Juni 2014, der mit 140 km/h die voll belaubten Bäume traf und 230 alte Riesen umwarf oder zerbrach. Das Laubdach des Hochwaldes wurde dadurch zerstört. In der Folge kamen nun viel geringere jährliche Niederschläge, die zusammen mit der nun bis zum Waldboden eindringenden Sonne zur Austrocknung führt. Die alten Baumriesen können nun ihre großen Laubkronen nicht mehr ernähren, die Spitzen sterben als erstes ab, danach der ganze Baum. Abplatzende Rinde, besonders bei den Buchen, Schwamm- und Pilzbefall sind Zeichen des nahen Todes der Bäume. Mittlerweile finden sich große Brachen im Hochwald und eine Strauch- und Buschlandschaft entsteht. Unklar ist, ob sich daraus neuer Hochwald entwickeln kann oder ob angepasstere Sorten, vielleicht aus anderen trockeneren Regionen der Welt, angepflanzt werden sollen. Auch stehen wir erst am Beginn des Klimawandels, und so schnell er von uns Menschen (im wahrsten Sinne) „angefeuert“ worden ist, so langsam scheint die Menschheit zu begreifen, dass es äußerst eilig ist, wirksame Maßnahmen zu seiner Abmilderung zu ergreifen: die nächste sich ankündigende Zeitschicht im Benrather Schlosspark wird sich deutlich von der der letzten Jahrzehnte abheben. Klar ist bereits, dass die kommenden zwei, drei Generationen den Benrather Jagdpark und viele andere Waldregionen nicht mehr als Hochwald erleben werden –allenfalls in 50-70 Jahren mag er neu gewachsen sein. Damit ist eine gewaltige gartenarchitektonische Heraus­forderung verbunden. Übrigens sind auch viele Bäume der Lindenallee geschwächt; dies nicht nur durch die sich verändernden Standort­bedingungen sondern auch wegen Beschneidung und Stutzung seit Ende des 18. Jahrhunderts. In zunehmendem Maße werden Ersatzpflanzungen notwendig. Aus Schösslingen der alten Bäume werden derzeit in der städtischen Gärtnerei neue Bäumchen gezogen: so besteht Hoffnung, dass die alten Bäume in den Nachpflanzungen genetisch weiter bestehen werden.

Klimawandel: die Laubkrone des Jagdparks verschwindet. (Foto: H. Bruhns)

 

Spannende zwei Stunden zeigte Herr Lauterbach den Freunden von Schloss und Park Benrath, was es bedeutet, eine so kostbare historische Gartenanlage wie den Benrather Schlosspark zu erhalten und weiterzuentwickeln und wie viele gartenarchitektonische Zeitebenen das aufmerksame Auge entdecken kann. Dass er sich dafür gleich mit mehreren Führungen engagierte, verdient großen Dank, zumal er seine Zeit nicht nur der gartendenkmalpflegerischen Betreuung des Benrather Schlossparks sondern aller nahezu drei Dutzend Düsseldorfer Parkanlagen widmen muss. 

 

 

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