Jahresreise 2014 der "Freunde" nach Warschau

Am 27. Juni 2014 versammelten sich zweiunddreißig Freunde von Schloss und Park Benrath schon kurz vor Sonnenaufgang am Düsseldorfer Flughafen zur Reise nach Warschau. Eine frühere Fahrt, ebenfalls von Frau Schiefer konzipiert und organisiert, hatte die "Freunde" bereits nach Krakau, der alten Hauptstadt des litauisch-polnischen Reiches und bedeutender Universitätsstadt, geführt.

 

Der Flug im kleinen Jet nach Warschau verging im Nu. Christoph, lokaler Organisator und freundlicher Stadtführer (wie sich herausstellte, nicht nur für Warschau sondern auch in anderen Städten Polens), empfing uns mit einem Reisebus, und um halb Zehn begann die Erkundung der polnischen Hauptstadt, die er kundig und interessant nicht nur mit geschichtlichen sondern auch aktuellen Informationen begleitete, die uns einen sehr plastischen Eindruck von den vergangenen und gegenwärtigen politischen Konstellationen vermittelten.

Der moderne Flugplatz liegt nur acht Kilometer südwestlich vom Stadtzentrum entfernt, das prominent durch den gigantischen Kulturpalast im Sowjetstil markiert wird. Unsere Fahrt ging sogleich zur Altstadt, die nordöstlich von diesem Verkehrszentrum an der Weichsel liegt und westlich von dem Bereich des ehemaligen Warschauer Ghettos umfaßt wird. Dabei erfuhren wir vieles aus der Warschauer und polnischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Die Geschichte dieser beiden Stadtbereiche endete mit der nahezu kompletten Zerstörung durch die Deutschen im zweiten Weltkrieg – diejenige des Ghettos wurde dabei für immer Mahnmal der unfaßbaren Greuel des Dritten Reichs. 350.000 Menschen lebten zu Beginn des Krieges in diesem Stadtbereich, der im November 1940 durch eine 18 km lange Umfassungsmauer abgeriegelt wurde. Weitere 150.000 wurden von den Deutschen aus ganz Polen hierher verschleppt und lebten hier mit den ursprünglichen Bewohnern unter unsäglichen Umständen, bevor ab Juli 1942 schrittweise die Räumung und Verkleinerung des Ghettos und Verbringung der Bewohner in Vernichtungslager erfolgte – insbesondere nach Treblinka. Dort wurden in den folgenden dreizehn Monaten mindestens 700.000 – wahrscheinlich aber mehr als eine Million – Menschen planmäßig ermordet. Gleichzeitig wurden die geräumten Bereiche des Ghettos vollständig zerstört. Ebenso wurde die Altstadt nach dem Warschauer Aufstand der polnischen Heimatarmee im August 1944 durch die Deutschen weitestgehend zerstört und das alte Königsschloss gesprengt.

Wenn heute eine freundliche historische Altstadt den Besucher empfängt, so ist dies dem beeindruckenden Willen zu verdanken, das alte Gesicht Warschaus so weit wie möglich wiederherzustellen und damit die Identität Polens und Kontinuität der polnischen Geschichte zu demonstrieren – den Ereignissen des zwanzigsten Jahrhunderts, der bitter empfundenen Abhängigkeit vom russischen Zarenreich im „Kongreßpolen“ des 19. Jh. und den nie verwundenen drei polnischen Teilungen des 18. Jh. zum Trotz. Dass eine derart historisch getreue Rekonstruktion des Stadtbildes gelingen konnte, ist nicht zuletzt, so erfuhren wir, dem Maler Belotto, genannt und berühmt geworden als „venezianischer“ Canaletto, zu verdanken, der nach seinen italienischen und deutschen Perioden in Warschau ab 1764 für den polnischen König zahlreiche außerordentlich detaillierte Stadtansichten malte, die als Vorlage für den Wiederaufbau dienen konnten.

Auch diese ältere Geschichte Polens, die des Kampfes eines (zu) mächtigen Adels gegen die Entwicklung einer monarchischen Zentralmacht – eine Deutschen nicht unvertraute Konstellation - spiegelt sich in der Warschauer Vergangenheit und vielen seiner (wiedererstellten) Bauten wieder. Insbesondere der Besuch des in den achtziger Jahren getreu wieder aufgebauten Königsschlosses aus dem frühen 17. Jh. in zwei Gruppen – eine davon unter der kundigen Leitung Christophs – gab davon reiches Zeugnis.

Nach üppigem Mittagsmahl am Marktplatz und Streifzügen durch die umliegenden Straßen sowie einem Blick auf die Weichsel ging es dann, wiederum durch das ehemalige Ghetto, zum Hotel, am östlichen Rand dieses Gebiets gelegen. Eine spätnachmittägliche Pause war verdient angesichts des sehr früh begonnenen Tages.

An diesem Abend besuchten diejenigen, die nicht zu ermattet waren, eine Aufführung in der Warschauer Kammeroper, einem recht kleinen Haus mit verdecktem Orchestergraben. Don Giovanni stand auf dem Zettel. Wer nun eine der Größe des Hauses entsprechende bescheidene Inszenierung erwartete, wurde gewaltig überrascht: hier ging es musikalisch, dramaturgisch und ausstattungsmäßig mit voller Kraft zur Sache! Hervorragende Sänger, eine gekonnte, elegante Inszenierung, die glücklicherweise ohne Selbstverwirklichungsdrang eines Regisseurs aus sich selbst heraus lebte, und das schwungvolle Orchester machten den Abend zu einem großen – nach dem langen Tag für manchen auch etwas anstrengenden - Vergnügen.

Am zweiten Tag, dem Samstag, besuchten wir zunächst das Ghetto, besichtigten von außen den Neubau des Jüdischen Museums, das demnächst seine Pforten öffnen soll. Sodann stand der Kulturpalast auf der Tagesordnung: vom 30. Stockwerk dieses kraftprotzenden Sowjetbaus ließen sich das Stadtzentrum mit seinen inzwischen zahlreichen modernen Neubauten im internationalen Stil aber auch die Außenbezirke vorzüglich überblicken. Von diesen Bezirken besichtigten wir anschließend den interessantesten, die östliche Vorstadt Praga jenseits der Weichsel, die, vom Leben der kleinen Leute, Hinterhofmärkten,Verfall, Kleinteiligkeit und „Tante Emma“-Läden geprägt, dem Sog der Nach-Wendezeit noch widersteht. Mit manchen Straßenzügen gibt sie sogar ein unverfälschtes Bild der Kriegszeit, das Polanski für seinen Film "Der Pianist“, aber auch andere Regisseure als Kulisse genutzt haben. - Zur späten Mittagspause ging es zurück ins Stadtzentrum, Nähe Jerusalemstraße, in das Flair moderner Shopping-Straßen. Wer dann den Bus zurück zum Hotel ignoriert hat und auf eigene Faust den Weg dorthin suchte, geriet in ein fulminantes Gewitter und wurde unfreiwillig einer Gesamtwäsche unterzogen. Ein gemeinsames sehr nettes Abendessen für trocken Gebliebene und frisch Getrocknete beschloss das Programm des Tages – die Hotelbar erlaubte noch kleine flüssige Zugaben.

Schon war der Sonntag gekommen, der ganz im Zeichen Frédéric Chopins stand: in etwa einstündiger Fahrt durch die schöne aber von Warschauer Pendlern recht zersiedelte Landschaft Masowiens ging es zu seinem Geburtsort Zelazowa Wola, der im Wesentlichen aus dem ehemaligen ländlichen Anwesen der Familie Chopin besteht, das von einem sehr gepflegten Park mit herrlichem Baum- und Blumenbestand umgeben ist und die Besucher in einem kleinen modernen Museumsbau empfängt. Nach ausgiebigem Umherstreifen in diesem sonnigen Paradies konnten die "Freunde" ein sehr angenehm vorgetragenes Konzert mit bekannten Klavierstücken Chopins im Freien auf der Terrasse des Landhauses genießen, bevor es über masowische Alleen zurück nach Warschau ging. Dort gab es am Abend ein weiteres Chopin-Konzert, dieses Mal von einer in jeder Hinsicht kräftigen und energischen Dame unüberhörbar auf den sich biegenden Tasten und Pedalen eines lautstärkegewaltigen Flügels veranstaltet. Dies im schönen und interessanten Ambiente  des neogotischen Szuster Palasts im Park Morskie Oko nahe der Weichsel, heute Sitz der Warschauer Musikgesellschaft. Der Rückweg durch den Park zum Bus machte dann bereits deutlich, was sich am Montag nicht mehr ignorieren ließ, nämlich dass das Warschauer Wetter sich entschlossen hatte, fortan seine feuchtere Seite per „crescendo“ zu zeigen.

Das war am Montag erst einmal kein Problem, da zunächst der Besuch im Landschloss Wilanow des Jan III. Sobieski auf dem Programm stand, der 1683 in der Schlacht am Kahlenberg Wien vor den Türken rettete.  Die Innenräume mit ihrer großen Gemäldegalerie wurden bei wohlkontrollierter Luftfeuchtigkeit mit sehr kompetenter Führung begangen, die uns viel Interessantes und auch Amüsantes bot – der darauffolgende Streifzug durch den Park musste aber unter nässenden Wolken schon knapper als gewünscht ausfallen; auf den abschließend vorgesehenen ausführlichen Spaziergang durch den stadtnahen Lazienki Park mit seinem bekannten Chopin-Denkmal wurde angesichts der Fluten, die sich aus den himmlischen Pforten ergossen, gerne vollständig verzichtet. Statt dessen wurde ein angenehmes gemeinsames Mittagessen in dem beim Schloss Wilanow gelegenen gleichnamigen Restaurant improvisiert, das Frau Klahold Gelegenheit gab, im Namen aller „Freunde“ sehr herzlich Dank zu sagen: unserem außerordentlich kenntnisreichen und freundlichen Begleiter Christoph ebenso wie dem zuverlässigen Busfahrer für die schöne viertägige Fahrt durch Warschaus Sehenswürdigkeiten und Polens Geschichte und Frau Schiefer für die vorzügliche Vorbereitung dieser Jahresreise.  Sodann begann, ob der nicht nachlassenden Launen des Wettergottes früher als geplant, die Fahrt zum Flughafen, die uns noch einen der prachtvollen Staus auf Warschaus Straßen erleben ließ. Gegenwärtig werden diese noch durch die vielen Sperrungen und Umleitungen befördert, die im Zuge des überfälligen Baus der zweiten Warschauer U-Bahn Linie eingerichtet worden sind. Regen und Stau: Christoph sagte tröstend, so solle uns der Abschied von Warschau leichter gemacht werden. Der schöne Sonnenuntergang bei klarem Himmel im Anflug auf Düsseldorf tat das Seine, uns dann auch die Ankunft in der rheinischen Heimat leicht werden zu lassen.

Insgesamt: vier lange, ereignisreiche Tage voll neuer Erlebnisse, eine rundum angenehme Reisegesellschaft der „Freunde“ mit stets guter Laune und vielen anregenden Gesprächen; dank der sorgfältigen Vorbereitung ein vorzüglicher Empfang in Warschau mit passendem logistischen Ambiente – diese Fahrt wird allen in bester Erinnerung bleiben!

Apropos – fotografische Seitenblicke, die der Berichterstatter auf dieser Reise gewagt hat, gibt es hier. (Auf der sich dann öffnenden Seite findet man mit der Maus links oben ein Menü zur Auswahl).

Hardo Bruhns

 

 

 

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