Backsteinpracht und Kunstgenuss in der Lüneburger Heide – Reise vom 19.-21.9.2024

Hardo Bruhns, 22. 9. 2024

Die diesjährige Herbstreise der Freunde von Schloss und Park Benrath führte vom 19.-21. September 2024 nach Lüneburg und Celle. Für die insgesamt drei Tage hatte Frau Schiefer mit Kluges Reisebüro in bewährter Manier ein interessantes Programm gestaltet.

25 Teilnehmer fanden sich am frühen Morgen des 19. September am Benrather Busbahnhof ein, wo sie von Ursula Schiefer und unserer Vorsitzenden Dorothea Sprockamp begrüßt wurden. Mit einer kurzen Pause an der Raststätte Rinteln führte die Route auf der A2 durchs Westfälische, dann an Hannover und Celle vorbei nach Nordosten. Mittags haben wir den Naturpark Südheide mit den Aschauer Fischteichen erreicht, wo in dem von Wasseradern und –teichen durchzogenen Vogelparadies in einer kleinen Teichwirtschaft dickbelegte Aal- und Lachsforellenbrötchen den Lebensgeistern wieder zu Energie verhalfen.

Besuch des Hundertwasser-Bahnhofs in Uelzen

So gestärkt ging die Reise weiter nach Uelzen, einer einst schmucken Hansestadt, die den Älteren weniger wegen des dort kurz vor Kriegsende noch geschaffenen und zu schrecklicher Bekanntheit gekommenen Konzentrationslagers sondern nach Kriegsende wegen des Durchgangslagers Uelzen für über  vier Millionen Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten in Erinnerung ist. Die Stadt, mit der Teilung Deutschlands um ihre Funktion als Drehkreuz an der Strecke Berlin – Bremen beraubt, versank in Bedeutungslosigkeit und der Bahnhof aus der Gründerzeit verfiel. Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung fuhren die Fernzüge wieder über Uelzen und für die Weltausstellung 2000 in Hannover kam die Idee auf, Uelzen einzubinden, den Bahnhof zu renovieren und als besonderes Atout mit der Hilfe Friedensreich Hundertwassers in ein Kunstwerk zu verwandeln.  Typisch deutsch  provozierte das einen Konflikt zwischen streng ausgelegtem Denkmalschutz für das alte Gemäuer und der Absicht, einen ganz besonderen Anziehungspunkt für die Expo und damit auch für das wieder zu Leben kommende Uelzen zu schaffen. Als Kompromiss beschränkte man sich auf Accessoires, kurios anzusehen, mit sympathischen Details und etwas hilflos angefügten Säulen. So bemüht sich der Bahnhof nun, diesen  Zweck zu erfüllen. Ob das auch hinsichtlich seiner Funktion für Bahnreisende gilt, ist fraglich – während unseres kurzen Besuchs wurde dreimal per Lautsprecher wegen wesentlich verspäteter oder ausgefallener Züge um Entschuldigung gebeten.

Kloster Lüne in Lüneburg

Nach diesem Erlebnis ging es zügig – da nicht mit der Bahn sondern mit dem eigenen Bus – weiter nach Lüneburg, das am mittleren Nachmittag bei Kaiserwetter erreicht wurde. Zunächst wurde das vor den Toren der Stadt gelegene ehemalige Benediktinerinnenkloster Lüne besucht, das auch heute noch ein – seit der Reformation evangelisches – Damenstift ist. Die Führung gab interessante Einblicke in die recht wechselvolle Bau- und Klostergeschichte ebenso wie in die Funktion der Anlage als  – seit dem 16. Jh. formal säkulare – Ruhestandsinstitution  zur Versorgung der ledigen Töchter des Landadels und in die Lebensweise der adligen Bewohnerinnen sowie die Aufgaben der heutigen  „Konventualinnen“.  Deren gemeinsames Leben konzentriert sich im Wesentlichen auf den Betrieb der Anlage als Museum und Kulturforum.  Sie leben im eigenen Hausstand in modern ausgebauten Wohnungen.  Die unbeheizten Zellen  der früheren Bewohnerinnen stehen leer – von deren verlorenen Träumen zeugen Malereien auf den hölzernen Wänden, die kaum  religiöse Motive darstellen, sondern  prachtvolle Schlösser und lauschige Parkanlagen, in denen wohl ihre verheirateten Schwestern mit ihren adligen Gatten oder Begleitern wandeln mochten, die aber für sie unerreichbar Vergangenes waren. Immerhin: in ihrem Kloster lebten sie auf der Sonnenseite – gegenüber auf der kalten Nordseite lebten in ewigem Schatten als längst Vergessene die Mägde in kleinen Kammern ohne jeglichen Komfort zwischen den gestapelten Schatullen mit Kleidung und Zierrat ihrer Herrinnen.

Das Zentrum der bis in die Barockzeit immer wieder erweiterten Klosteranlage bildet eine kleine hübsche einschiffige Kirche aus spätgotischer Zeit mit prachtvoll geschnitzten und vergoldeten Altar und einer durch ihre disproportionale Größe erdrückend wirkenden barocken Orgel, die, sehr ungewöhnlich, seitlich im Altarraum auf Pfeilern steht und den Altar optisch zur Seite drängt. Gerade waren Vorbereitungen für das Abschlusskonzert der Lüneburger Bach-Woche am gleichen Abend im Gange. Das animierte einige aus der Reisegruppe, nach dem Abendessen das Konzert zu besuchen, das sich als hochkarätig und sehr lohnenswert herausstellte.

Lüneburg – prachtvolle, nahezu homogen historische Innenstadt

Unsere Reisegruppe stieg im Hotel Bergström ab. Ideal am Eingang zur Altstadt romantisch am Fluss Ilmenau gelegen, erwies es sich für den Aufenthalt als sehr praktisch und angenehm. Wohl fanden sich an diesem ersten Abend nach dem Essen manche an der Bar zum gemütlichen Gespräch ein, allerdings war davon, als die Konzertbesucher spät von Kloster Lüne zurückkehrten, nur noch ein kleines Fähnlein übrig.

Mit einem etwas holprigen Start – die Uhren scheinen in dem historischen Lüneburg noch anders zu gehen – begann dann die Stadtführung im Rathaus der Stadt, das, so wurde gesagt, das größte mittelalterliche ganz Norddeutschlands sei.  Man mag dieses Rathaus kaum als ein Haus bezeichnen, tatsächlich ist es ein seit 1230 gewachsenes Ensemble verschiedenster größerer und kleinerer Bauten, die, den wachsenden administrativen und repräsentativen Bedürfnissen der vor allem durch Salzhandel reichen und mächtigen Hansestadt entsprechend, aneinander gebaut wurden. Alle sind rote Backsteinbauten, nur die nach Osten zum Marktplatz weisende Hauptfassade wurde umgestaltet und weiß verputzt, um gegen den Landesherrn einen Punkt zu setzen, als dieser die Stadt zwang, ihn ein Palais aus weißem Stein auf die Nordseite des Platzes bauen zu lassen. – Im Innern des Rathauses beeindrucken besonders die „Gerichtslaube“ mit Wandmalereien und Glasfenstern aus dem späten 15 Jh. sowie der große „Fürstensaal“, benannt nach den Darstellungen der Lüneburger Fürsten an seinen Wänden.

Glücklicherweise erlitt Lüneburg im 2. Weltkrieg nur wenige Bombenschäden, und auch bauliche Eingriffe in der Nachkriegszeit haben – anders als in vielen Großstädten – das historische Stadtzentrum wenig beeinträchtigt.  So präsentiert sich der ausgedehnte Stadtkern in einem nahezu homogenen mittelalterlichen bis barocken Charakter.  Auch die Absenkung um einige Meter des westlichen Teils der Stadt zwischen der „Neuen Sülze“ (sic!) und der St. Michaelskirche hat daran nichts geändert, da der Ersatz von einsturzgefährdeten Bauten noch in der Barockzeit erfolgte. Die Absenkung ist geologisch bedingt; in diesem Bereich ist die Sedimentschicht  dünn, ein Salzstock darunter ragt bis nahe an die Geländeoberfläche, und Grundwasser hat das Salz aufgelöst. – Salz war das Lebenselixier von Lüneburg; durch die Hanse gelang es, mit Hilfe von Lübeck das Handelsmonopol für Salz im Ostseeraum zu erlangen. Die Fortune der Stadt erlosch erst mit der schwindenden Macht der Hanse und der Konkurrenz durch preiswerteres Meersalz von der französischen Atlantikküste. Das war aus der Perspektive des Denkmalschutzes eine gute Entwicklung – das Geld für Neubauten in klassischen und später modernen Stilrichtungen war knapp.

Die Stadtführerin verband ihre Ausführungen zur Stadtgeschichte und -architektur mit allerlei kurzweiligen Verweisen auf Begriffe, die aus der mittelalterlichen Lebenspraxis stammen, wie z.B.  „in der Kreide stehen“, „steinreich“, den Unterschied zwischen Steinhäusern und Fachwerkhäusern betreffend, und zuletzt „Tretmühle“, als sie den alten Kran am Hafen zeigte, der Lasten mit Hilfe menschlicher Kraft – Männern und Frauen in Laufrädern – bewegte.

Am Freitagnachmittag führte eine knapp einstündige Fahrt zum Ort Jesteburg, wo der Schweizer Johann  Bossard (1874 – 1950), der bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1944 als Professor an der Kunstgewerbeschule Hamburg  wirkte, sich seit den 1910er Jahren ein „Gesamtkunstwerk“ zu erschaffen suchte.  Beeinflusst von völkischen Ideen und nordischer Mythologie hinterlässt dieses erstaunliche Opus, im Dritten Reich wohlgelitten, einen zwiespältigen Eindruck. Beeindruckt aber waren einige von uns von unserer Kunstvermittlerin. Beeindruckt aber waren einige von uns von unserer Kunstvermittlerin. Ihre Kleidung – weißes Kittelkleid, verziert nur mit je vier schwarzen Linien an Kragen, Ärmelenden, Gürtel und Taschen – hatte etwas Lebensreformerisches und ihre glatte Frisur mit kleinem Knoten und dezenter Wasserwelle erinnerte an die 1920er Jahre. Dazu sowie zu dem expressionistischen Werk von Bossard, das sie uns erklärte, passte ihre sehr akzentuierte Sprechweise.

Auf der Fahrt zurück kehrte die Gesellschaft im Ort Marxen in das Restaurant „Lindenhof“ zu einem schmackhaften Abendessen ein. Später in Lüneburg verging der Abend im Hotel mit vergnüglichen und ernsten Gesprächen bei Barmusik.

Schloss und Fachwerk-Ensemble von Celle

Nach einer ruhigen Nacht begann der letzte Tag mit der Abreise aus Lüneburg in Richtung Celle, das als eine der Städte mit einem gut erhaltenen Ensemble von Fachwerkhäusern bekannt ist. Apropos „steinreich“: In der Tat war das heutige Celle, eine Neugründung um 1300, deutlich ärmer als Lüneburg. Der herausragende prachtvolle – und steinerne – Bau ist das barocke herzogliche Schloss, das Ende des 17. Jh. aus einem Umbau einer seit 1296 entstandenen mittelalterlichen Wehr- und Schlossanlage entstand.  Eine „englische“ Gartenanlage aus dem 19. Jh. mit herrlichem Bestand uralter Baum-Solitäre umgibt den etwas gedrungenen Corpus des Schlosses, welches eines der – mit 350 Jahren – ältesten, wenngleich mit Unterbrechungen, noch heute bespielten Schlosstheater beherbergt. Auch die Schlosskapelle ist sehenswert mit ihren blau bemalten Gewölberippen und den Einbauten für die fürstlichen Kirchgänger. Ansonsten scheint das Schloss wenig an historischem Inventar zu bieten und auch der Gemäldebestand ist etwas monoton: Bis auf wenige Ausnahmen zeigt er nur Angehörige der Celler und Hannoveraner Fürstenhäuser und, seit 1714 – dank des Übergangs des englischen Throns an die Hannoveraner Welfen – der englischen Herrscher. Nicht gerade mit Schönheit verwöhnt gleicht sich dieses Geschlecht von Generation zu Generation und füllt die Tafelbilder reichlich. Die Schlossführung mochte vor allem für genealogisch Interessierte von Reiz sein, aber die Führerin vermochte auch andere Besucher durch allerlei Anekdoten zu fesseln.

 Rückreise nach Benrath

Gegen 16 Uhr traf man sich vor dem Schloss zur Rückreise nach Benrath, das um 20:30 Uhr erreicht wurde. Die Reisegesellschaft nutzte die letzte halbe Stunde im Bus, die Ereignisse zu rekapitulieren und dem umsichtig und angenehm ruhig fahrenden Busfahrer Herr Brandt ebenso zu danken wie Frau Schiefer für die vorzügliche Planung und Gestaltung der Reise. An dieses Ereignis werden die Teilnehmer noch lange schöne Erinnerungen haben. Dass Petrus für diese drei Tage ein sonniges, warmes, herrlich angenehmes Spätsommerwetter spendierte, wird dabei nicht vergessen werden.

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