Seltene Frankenthaler Porzellangruppe vom Freundeskreis für Benrath erworben

Geschrieben von Hardo Bruhns, 10. Oktober 2025
Fotos: © Hardo Bruhns

Wer sich für Frankenthaler Porzellan interessiert, muss entweder nach Mannheim und Frankenthal fahren oder aber nach Benrath kommen, denn dort befindet sich inzwischen die zweitgrößte Sammlung von Figuren aus der kurfürstlichen Frankenthaler Porzellanmanufaktur. Über Jahrzehnte mit steter Unterstützung durch die Schlossfreunde angewachsen, ist sie 2010 von der Stiftung Schloss und Park Benrath in einem schönen Bildband “Höfische Kostbarkeiten” präsentiert worden. Mehr als 50 kunstvoll gestaltete und in Unterglasur bemalte Figurengruppen und Einzelfiguren sowie ein großes Konvolut an Geschirr und Vasen wurden unter Mitwirkung von Gabriele Uerscheln, Michael Overdick und Ingrid Lackinger seinerzeit vorgestellt.

Seither sind die Freunde nicht untätig gewesen; die Sammlung ist weiter gewachsen – und nun fand die jüngste Erweiterung in Form einer besonderen Figurengruppe statt, die von den Freunden auf dem Kunstmarkt für die Stiftung Schloss und Park Benrath erworben wurde. Diese Gruppe ist wahrhaft ungewöhnlich, denn sie ist die Einzige in der Benrather Sammlung, die nicht klassische Themen, Allegorien, Chinoiserien oder Szenen aus dem höfischen Leben darstellt, sondern fünf ausgelassen spielende Kinder. Im höfischen Kontext des Rokoko ist diese Porzellangruppe aus dem Jahr 1787 kaum vorstellbar: weder passt sie zu dem kunstvollen Ornamentschmuck des seinerzeit vom Adel verwendeten Tafelgeschirrs, noch bezieht sie sich auf die damalige Lebenswelt adliger Kinder und hat auch keinen Bezug zu der noch ganz künstlichen, ziselierten Naturvorstellung der Zeit, die in Marie Antoinettes Garten des Petit Trianon ihre expressivste Ausformung mit parfümierten Schäfchen und ebenso bedufteten und sorgfältig gewaschenen Bauernkindern fand.

Die Darstellung dieser Gruppe hat keinerlei Bezug zu Adel oder bäuerlichem Leben. So ist zu vermuten, dass die Frankenthaler Manufaktur neue Kundschaft im aufstrebenden Bürgertum suchte. Die Kleidung ist bürgerlich, das unbeschwerte Treiben entspricht der sich formierenden neuen Gedankenwelt: Dramen und Romane wie Emilia Galotti, Kabale und Liebe oder Werther wenden den Blick auf das bürgerliche Leben. Eine Generation zuvor hat Rousseau mit großer positiver wie negativer Resonanz das einfache natürliche Leben propagiert, und in Frankreich brodeln bereits Unruhen, die sich zwei Jahre später ihre Bahn zur großen Revolution brechen. Dennoch ist, nicht nur im Kontext des Frankenthaler Porzellans, diese Darstellung ihrer Zeit voraus – ohne Kenntnis davon, dass sie aus der Frankenthaler Manufaktur stammt und datiert ist, möchte man sie leicht der Biedermeierzeit zuschreiben.

Ob der Schöpfer dieser Figurengruppe, Johann Peter Melchior, der nach Jahren als kurmainzischer Hofbildhauer von 1779 bis 1793 als Modellmeister in der Frankenthaler Manufaktur arbeitete und dort auch kunsttheoretische Schriften verfasste (später ging er nach Nymphenburg), die neuen gesellschaftlichen Vorstellungen zum Anlass für die Gestaltung dieser fröhlichen Kindergruppe nahm oder eher die eigene glückliche familiäre Situation Pate stand – er hatte mit seiner Frau sieben Kinder -, lässt sich wohl nicht ermitteln. Aber man darf vermuten, dass Melchior ein wacher Beobachter der Strömungen seiner Zeit war; so stand er mit Goethe in enger Verbindung, für den er 1775, unmittelbar vor dessen Wegzug aus Frankfurt nach Weimar, ein beeindruckendes Reliefportrait gestaltete.

Die Ausführung dieser ohne Beschädigung in unsere Zeit gekommenen Figurengruppe ist exquisit, die Gestaltung und Bemalung sorgfältig und fein – die vielen verschiedenen Farben bedurften mehrerer aufeinanderfolgender Brände. Auf der Unterseite ist sie unter der Glasur bezeichnet mit der kurfürstlichen Krone, darunter der CT Marke und der Jahreszahl “87” (für 1787), die 8 bekrönt mit einem Punkt. Auf dem Kunstmarkt ist diese Figur sehr selten zu finden; offenbar wurde sie nur in geringer Stückzahl hergestellt. Umso erfreulicher ist, dass sie nun für die Benrather Sammlung erworben werden konnte.

Frankenthaler Porzellan wurde nur von 1755 (zunächst noch in Straßburg) bis 1799 hergestellt; die Manufaktur betrieb in ihrer Blütezeit um 1776 Agenturen in Aachen, Basel, Frankfurt am Main, Livorno, Mainz München und Nancy, was zeigt, wie begehrt das Porzellan war. Es wurde auf Grund seiner Qualität und der Kunstfertigkeit seiner Modellierer ähnlich geschätzt wie Meißener Porzellan oder das königliche Sèvres in Frankreich, die beide bis heute produziert werden.  

Übrigens hat Frankenthaler Porzellan auch in die Literatur Eingang gefunden: In seinem Roman “Cousin Pons” von 1844 lässt Balzac den Titelhelden Gäste an einem vorzüglich mit Frankenthaler Porzellan gedeckten Tisch bewirten und dazu bemerken: “Das ist der Name der Porzellanfabrik des Pfälzer Kurfürsten. Sie ist älter als unsere Manufaktur von Sèvres, so wie die berühmten Gärten Heidelbergs, von Turenne* verwüstet, das Pech hatten, schon vor denen von Versailles zu bestehen.” In fünf Jahren werde Frankenthaler Porzellan doppelt so teuer sein wie das edelste Sèvres. – Die hier beschriebene Passage, die Inge Lackinger in dem Katalog “Höfische Kostbarkeiten” teilweise zitiert, muss vor dem Hintergrund verstanden werden, dass Herr Pons, gourmand par excellence, ein leidenschaftlicher Kunst- und Porzellansammler mit höchster Expertise und größtem Erfolg ist. In den Augen seines Autors, Balzac, ist mithin „Frankenthaler“ das non-plus-ultra der Porzellanwelt. Nun also: Freuen wir uns an der neuen Figurengruppe in Benrath: sie hätte Herrn Pons auch gefallen.

*Nebenbei ist zu bemerken, dass der große Balzac historisch irrt, denn der französische General Turenne fand schon 14 Jahre vor der Zerstörung Heidelbergs den Tod auf dem Schlachtfeld – es war sein Kollege Mélac, der die kurpfälzische Hauptstadt mit ihrem Schloss im Auftrag Ludwigs XIV. 1789 dermaßen zerstörte, dass die Pfälzer anschließend Mannheim zur neuen Residenz ausbauten.

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